Andreas Brandhorst
Der letzte Regent
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»Der letzte Regent« von Andreas Brandhorst
Xavis V Xavius, erster Chronist des Enduriums, wird durch Zufall in eine Intrige verwickelt, die in dem Tod des amtierenden Regenten Avedo M Avedis gipfelt und zum Ziel hat, die Vorherrschaft im vom Menschen besiedelten Universum zu erringen. Xavius wird daraufhin von Avedis Stellvertreter Quintus M Quiron, gleichzeitig auch Vorsitzender des Gremiums, auf eine Geheimmission geschickt um die Hintergründe der Verschwörung aufzudecken und die Drahtzieher zu bestrafen. Auf seiner abenteuerlichen Mission muss Xavius jedoch feststellen, dass er nur als Bauer in einem Schachspiel fungiert und die wirklichen Attentäter schon längst dabei sind, die Regierungsgewalt an sich zu reißen und Xavius dabei zu opfern.
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Was ich hier als Inhaltsangabe so in ein paar Sätzen niederschreibe, ist in Wirklichkeit nur die Spitze des Eisberges. Die ganze Geschichte ist wesentlich komplizierter, vielschichtiger und erheblich tiefgründiger als man vielleicht auf den ersten Blick vermuten könnte. Andreas Brandhorst ist es (mal wieder) gelungen, ein wundervolles und farbenprächtiges Bild einer Menschheit in ferner Zukunft zu zeichnen. Was sich in seinem Kantaki Zyklus schon angedeutet hat, nämlich das er sich in der Riege der anerkannten und angesehenen SF Autoren etabliert, hat unlängst seine Bestätigung gefunden. Für seinen Vorgängerroman Das Artefakt wurde er nun mit dem Deutschen Science Fiction Preis (DSFP) in der Kategorie Bester deutschsprachiger Roman 2013 ausgezeichnet. Und auch Der letzte Regent steht dem preisgekrönten Buch in nichts nach.
Wieder einmal liefert Brandhorst großes Kino und gibt sich nicht mit Kleinigkeiten zufrieden. Sein von ihm entworfenes Universum ist groß, sehr groß und recht gefährlich. Die Menschheit hat ein Imperium erschaffen, welches von einem langlebigen Regenten, Avedo M Avedis, regiert wird. Aber nicht alle Menschen sind Bestandteil dieses Imperiums, Endurium genannt. Es gibt die Splitterwelten, ein Bund aus Planten, welcher Vorbehalte gegen das Endurium hegt. Denn dieses ist in einer Sackgasse angelangt. Um ein möglichst stabiles Endurium zu erschaffen, sind die Schlüsselstellen dieses Imperiums von sogenannten Morti besetzt. Menschen, die in der Stillen Stadt auf der Erde einen kontrollierten Tod gestorben sind und danach wieder mit Hilfe einer außerirdischen Technik ins Leben zurückgeholt wurden. Auf diese Art und Weise, können die Morti jahrhundertelang, vielleicht sogar jahrtausendelang weiterleben. Der Nachteil ist, dass damit auch eine Unfruchtbarkeit einhergeht und so die Bevölkerung des Enduriums nach und nach schrumpft. Die Splitterwelten, auf denen fast ausschließlich Vivi (Leute wie du und ich) leben, blühen hingegen auf. Mit Hilfe von Gentechnik können zudem die verschiedensten Körperformen angenommen und der Metabolismus der Menschen den Planeten angepasst werden - gleichzeitig ein weiterer Grund, warum sich Splitterwelten und Endurium nicht besonders "grün" sind.
Aber, es gibt noch weitere Lebewesen im Universum – die außerirdischen Ayunn. Eine Schwarmintelligenz, mit der sich die Menschen (Endurium und Splitterwelten) seit langer Zeit im Krieg befinden. Warum es zu diesem Krieg kam, weiß nur der jeweilige amtierende Regent des Enduriums, welcher jedoch aus einem ganz bestimmten Grund nicht daran interessiert sein kann diesen Krieg zu beenden. Als zum ersten Mal die Vermutung auftaucht, die Splitterwelten könnten sich mit den Ayunn gegen das Endurium verschworen haben, droht auch dieser brüchige Frieden zwischen den Menschwelten zu zerbrechen. Ferner deutet alles darauf hin, dass die Ayunn eine dritte Invasion der Menschenwelten planen. Grund genug für die Verschwörer, ihre eigenen Pläne zu schmieden und den Regenten, der eine andere Politik verfolgt, zu töten.
Die Hauptperson des Buches Xavis V Xavius, ist der Schlüssel zur Verschwörung. Als erster Chronist des Enduriums, Mitglied der ersten 26 Familien und somit eine geschätzte Person im vom Menschen besiedelten Weltraum, fühlt er sich im höchsten Maße der Wahrheit verpflichtet. Seine Berichte und Reportagen sind beliebt und anerkannt. Als er sich, mehr durch Zufall, an Bord des Flaggschiffs Zerberus befindet, wird er Zeuge des Attentats auf den Regenten. Da der Tod des Regenten erst einmal geheimgehalten und der Kreis der Eingeweihten begrenzt werden muss, wird ausgerechnet Xavius auf die einzige auswertbare Spur angesetzt. Diese Spur führt zu den Splitterwelten und nimmt für Xavius im weiteren Verlauf eine völlig unvorhersehbare Wendung. Aus dem anfangs eher unsicheren und recht höfisch daherkommenden Chronisten, wird eine Kämpfernatur. Er muss einsehen, dass seine persönliche Wahrheit doch nicht die einzige ist, dass nicht alles so ist, wie es zu sein scheint.
Das Endurium birgt gleich mehrere dunkle Geheimnisse. Eines davon ist der Grund des Krieges mit den Ayunn, und warum der Regent diesen nicht einfach so beenden kann. Ein anderes ist die Entstehungsgeschichte des Imperiums, die wahrhaft nicht aus diesem Universum stammt. Auch die Frage nach den mysteriösen 27 Schläfern, die in Särgen unter der Stillen (und gleichzeitig auch der letzten intakten) Stadt auf der Erde liegen und quasi nur noch als Bewusstseine existieren, muss beantwortet werden. Es wird die Aufgabe von Xavius sein, diese Geheimnisse zu ergründen, will er verhindern, dass ein Attentäter die Macht an sich reißt. Allein die zu erwartende Auflösung dieser Geheimnisse schafft einen Spannungsbogen, der die abenteuerliche Verfolgungsjagd von Xavius mühelos toppt.
Genau wie in Seelenfänger , macht Brandhorst auch hier wieder eine Exkursion in die Psyche und das Unterbewusstsein seines Protagonisten. Das ist leider nicht immer so wirklich gut gelungen. Zu undurchsichtig und verwirrend entpuppt sich oftmals dieser Ausflug. Xavius ist während seiner Reise, ohne seine Zustimmung, konditioniert worden. So befindet sich nicht nur sein eigenes Bewusstsein in seinem Kopf, sondern auch die aufgezwungene Persönlichkeit, welche er immer und immer wieder mental zu verarbeiten versucht. Dazu kommt noch eine weitere Identität, der Geheimdienstagent Jerull Urik, die ihm eine Telepathin der Splitterwelten verpasst. Um das Chaos perfekt zu machen, befindet sich ferner ein Chronistenassistent in ihm, ein Schwarm winziger Partikel. Eine Quasipersönlichkeit, mit der er sich unterhalten kann und die er für seine Arbeit als Chronist benötigt. Dummerweise nur, drängt sich dieser Chronass immer mehr in den Vordergrund und droht seine eigene Persönlichkeit zu dominieren. In diesem ganzen Wirrwarr fällt es daher oftmals schwer, Brandhorst zu folgen und die Geschehnisse richtig einzuordnen.
Ein weiterer Punkt sträflicher Nichtbeachtung, ist die fehlende Weiterverfolgung der Anomalien, kleiner Tunnel, die Milliarden von Jahre in die Zukunft führen. Ein geradezu phantastischer Aspekt der Geschichte, aus dem man viel hätte machen können. Leider verfolgt Brandhorst diese Anomalien nicht weiter und ich frage mich unwillkürlich, warum er sie dann überhaupt erst erwähnt hat. Vielleicht erfährt man näheres dazu auch in einem Folgeband. Das im Buch geschilderte Universum, bietet auf jeden Fall den Stoff zu weiteren Geschichten. Ausgereizt ist es definitv noch nich.
Fazit:
Ein phantastischer und ungemein unterhaltsamer Roman aus der Feder von Andreas Brandhorst. Auch wenn die Geschichte ab und an mit einem riesigen Fragezeichen versehen ist und man als Leser den Überblick zu verlieren droht, schafft es der Autor dennoch alle Fäden zusammen zuführen und die Story zu einem logischen und befriedigenden Ende zu bringen. Wie gewohnt gebraucht der Autor wieder zahlreiche Fremdwörter und wirft den Leser mitten in die Handlung. Kein langsames Aufbauen, sondern vielmehr ein Sprung ins kalte Wasser. Das ist zum Glück jedoch nicht weiter schlimm. Wer dennoch ins straucheln gerät, kann einen Blick in das elfseitige Glossar werfen, wo einem alphabetisch, Punkt für Punkt, in kurzen Stichworten die wichtigsten Begriffe erklärt werden. Mir hat das vorliegende Buch auf jeden Fall sehr gut gefallen.