Ken Liu Seidenkrieger 1
Die Schwerter von Dara
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»Die Schwerter von Dara« (Seidenkrieger 1) von Ken Liu
Zwei kurze Kapitel zu Beginn machen uns mit den beiden Hauptpersonen bekannt. Da ist Kuni, ein sympathischer Nichtsnutz und Mata, Abkömmling einer besiegten edlen Familie. Wir lernen, dass der Xana-Kaiser Mapidéré die umliegenden Toro-Staaten unterworfen, die alten Edlen enteignet und den Staat zentralisiert hat. Acht Jahre dauert es dann noch, bis der alte Kaiser stirbt und ein jüngerer Sohn zu seinem Nachfolger erklärt wird. Aber ein minderjähriger Kaiser hat nicht genug Kraft, um die Machthungrigen unter seinen Ratgebern und Ministern in Schach zu halten. Hier und da und dann immer schneller brechen Aufstände aus. In Cocru übernehmen Mata und sein Onkel Phin wieder ihr altes Familienschloss und auf einer anderen Insel weigern sich die wenigen noch übrigen Männer, in die von Xana verordnete Zwangsarbeit zu gehen. Das Reich des Kind-Kaisers zerbröckelt.
Die ersten Rebellen entzweien sich und morden einander. Kuni ist inzwischen Herzog von Zudi und findet Gefallen an seiner Rolle. Im vierten Jahr der Herrschaft des jungen Kaisers rebelliert das ganze Land. Noch einmal bäumt sich das alte Regime auf. In Xana werden alte Generäle aus dem Ruhestand geholt und erobern viele Rebellenstädte zurück.
Kuni und Mata treffen sich zum ersten Mal, um eine Strategie gegen Xana auszuarbeiten. Sie betrachten sich schnell als (Waffen)Brüder. Nach dem Sieg der Rebellen wird Mata zum Hegemon ernannt. Er misstraut inzwischen dem beliebten Kuni, der nicht seinen alten Idealen eines mit harter Hand regierten Landes entspricht und gibt ihm eine kleine ferne Insel als Königreich. Auch die anderen Länder des vormals vereinigten Xana teilt er auf und ernennt viele weitere Könige. Mata erringt mit seiner Herrschaft wenig Loyalität bei seinen Untertanen und muss sich letztlich Kunis Armee geschlagen geben. Er begeht Selbstmord. Die Lage beruhigt sich. Kuni wird zum Kaiser gekrönt.
Kommentar :
Ken Liu erzählt uns in diesem Buch den Beginn einer großen Saga, die die Geschichte eines Landes verändert. Dies ist ihm auch weitgehend gelungen.
Viele Elemente fernöstlicher Traditionen sind schon in der Aufteilung der Kapitel sichtbar. Die Herrschaft eines Kaisers steht unter einem ihn selbst und seine Absichten beschreibendes Bild. So regiert etwa der alte Kaiser unter „Die Herrschaft des einen strahlenden Himmels“, da er die vielen einzelnen Toro-Staaten unter einem einzigen strahlenden Himmel vereinigt hat.
Auch die Beschreibung des Hofstaates und der Stellung des Kaisers ist gut gelungen. Seine Untertanen sehen ihn, wenn überhaupt, nur von weitem und hoch oben auf seinem Thron sitzend. Hofintrigen, Morde, meuternde Armeen, betrügende und betrogene Freunde, alles Elemente, die Ken Liu mit sichtbarer Lust am Fabulieren erzählt.
Die Gegenspieler des Xana-Kaisers, von denen Kuni und Mata sicher die Hauptfiguren sind, sind gut herausgearbeitet. Kuni will Gutes tun. Er ist ein guter Anführer und versteht es, Menschen für sich zu gewinnen. Diese Eigenschaften helfen ihm, auch Zeiten zu überstehen, in denen er in Ungnade fällt und sich wieder aufzurappeln. Mata ist etwas überzeichnet. Er wird als sehr groß, geradezu gigantisch beschrieben, hat zwei Pupillen in seinen Augen und sieht deshalb besser als andere, ist heldenmütig und mutig. Mata legt, im Gegensatz zu Kuni, viel Wert auf alte Tugenden, eben weil sie alt und traditionell sind. Er hinterfragt seine Rolle als Held nicht, versteht nicht, warum ihm Menschen nicht immer folgen. Die im Kampf gegen das Kaiserreich entstandene Freundschaft war für mich nicht ganz überzeugend. Der eine bewundert in dem anderen das, was er selbst nicht ist. Das kann ich nachvollziehen, aber nicht die tiefe Freundschaft. Beide, Kuni und Mata, können am Ende Ihr Treueversprechen nicht halten.
Ken Liu ist es gelungen, auch Nebenfiguren mit wenigen Pinselstrichen zum Leben zu erwecken. Es gibt viele interessante Charaktere, besonders Frauen, die sich aus den Zwängen einer festgefügten patriarchalischen Gesellschaft befreien konnten. Keine der Figuren ist nur schwarz oder weiß gezeichnet. Alle sind sie gezwungen, sich im Lauf der Jahre anzupassen und ihre Meinungen zu überdenken.
Der Löwenzahn, den wir im Titelbild sehen, wird immer wieder im Zusammenhang mit Kuni angesprochen. Löwenzahn ist eine unscheinbare, sehr durchsetzungsfähige Pflanze, die hartnäckig immer wieder austreibt und ihre Samen mit dem Wind verschickt. Matas Blume ist die Chrysantheme, wunderschön, stark und reich blühend im Herbst. Sie symbolisiert das Kaisertum, ein Amt, das Mata anstrebt.
Wo bleibt die Fantasy in diesem Buch? Ein wenig Magie und etliche Götter – das ist alles, was wir bekommen. Die Götter der Toro-Inseln spielen ein eigenes Spiel in den Kriegen. Sie favorisieren unterschiedliche Helden und manipulieren immer wieder einzelne Personen, obwohl sie offensichtlich nicht direkt eingreifen dürfen. Ihre Rolle lässt sich nicht genau erkennen. Welche Absicht verfolgen sie? Ist ihnen lediglich langweilig oder steht hinter ihrem Eingreifen eine Moral?
Zum Schluss: Das Personenregister am Beginn ist angesichts der vielen handelnden Personen sehr nützlich. Es fehlt eine Karte, um mit den schnell wechselnden Schauplätzen mithalten zu können.
Fazit :
Ein schönes Buch, das Lust auf den nächsten Band macht.