Evangelisti, Valerio Inquisitor-Zyklus 1
Der Schatten des Inquisitors
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»Der Schatten des Inquisitors« (Inquisitor-Zyklus 1) von Evangelisti, Valerio
Der von Valerio Evangelisti geschriebene Inquisitor - Zyklus, dessen
erster Teil schon 1994 erschien, wird von der Kritik als einer der genialsten Serien angesehen. Umso erstaunlicher ist es, dass Band 1 dieser Reihe erst
vor wenigen Tagen den Weg in die deutschen Buchhandlungen fand.
Valerio Evangelisti wurde 1952 in Bologna geboren und zählt zu den
wichtigsten aktuellen Autoren Italiens. Berühmt wurde er besonders
durch historische Romane und später auch durch seine Hinwendung zur
Fantasy. In Deutschland wird neben dem Inquisitor - Zyklus auch die Nostradamus
- Reihe veröffentlicht. Dieser wendet sich aber wesentlich stärker
der Historie zu.
Mit Band 1 wird dem Leser eine dreigeteilte Handlung vorgelegt. Zum
einen lernt man den scheinbar etwas sonderbaren Wissenschaftler Markus Frullifer
kennen, der eine erstaunliche Entdeckung gemacht hat, die aber vorerst niemand
ernst nimmt. Seiner Meinung nach ist es möglich, sich aufgrund der
Kraft der menschlichen Psyche durch sogenannte Psytronen durch Raum und
Zeit zu bewegen. Um hinter die Erklärungen Frullifers zu steigen, bedarf
es fast den ganzen Roman, da dieser meiner Meinung nach einen stark wissenschaftlich
angehauchten Touch hat, der aber auch vom Autor gewollt zu sein scheint.
Erst als im Staate Texas der größenwahnsinnige Reverend Mallory
an die Macht kommt, der ein faschistisches System aufbauen will, findet
seine Arbeit Interesse, die aber einem anderen Zweck dienen soll.
Der zweite Strang spielt in der Zukunft. Mittlerweile hat sich die
Frullifer-Entdeckung durchgesetzt und es gibt psytronischen Raumschiffe.
Man lernt eine für den Leser namenlose Person kennen, die auf dem Raumschiff
Malpertuis anheuert, welches ein vorerst unbekanntes Ziel hat. Dieses abgewrackte
Schiff wird von dem trinkenden Kapitän Prometeos geführt und reist
im Auftrag des gefürchteten Abtes Sweetlady. Das Raumschiff erreicht
den Zielplaneten Olympus, doch nicht in der vorberechneten Zeit, sondern
man verspätet sich um mehr als 1300 Jahre und kommt so in das Jahr
1352.
Hier ergeben sich wichtige Parallelen zu dritten und wohl intensivsten
Handlung. Der Geistliche Nikolas Eymerich ebnet sich mit aller List und
Durchsetzungsvermögen den Weg zum Posten des Großinquisitors
von Aragon im Jahr 1352. Dabei scharrt er unter anderem den Pater Arnau
um sich In dieser Zeit sieht er zum ersten Mal eine riesige Silhouette einer
Frauengestalt am Himmel über Saragossa. Außerdem wird er mit
dem toten Körper eines zweigesichtigen Kindes konfrontiert. Auf der
Jagd nach den Hintergründen kommt Eymerich auf die Spur eines Kultes,
der die römische Göttin Diana wiederbeleben will. Hier spielen
der Pater Arnau aber auch die königliche Familie eine Rolle. Da in
Eymerichs Augen alles andere neben Gott nicht sein darf, versucht er diese
Entwicklung zu stoppen. Menschenleben sind dabei unwesentlich. Aufgrund
eines genialen Tricks kann Eymerich in letzten Moment die Rückkehr
Dianas verhindern, indem er die Menge dazu verleitet, Satan anzurufen. Als
die Menge die Gestalt erkennt, die sie nun herbeisehnt, hört sie entsetzt
auf und die Figur des Teufels verschwindet.
Auf dem Planeten Olympus stellt Sweetlady fest, dass der Glaube noch existiert
und zwar der an die alten Götter, wenn auch nur noch an eben jene Diana.
Sein Ziel ist es, nur ein Teil von Ihr zu bekommen, um diese versklaven
zu können. Da die Handlung parallel läuft, verwandelt sich aufgrund
der sich verändernden Anbetung Diana in den Teufel. Die Besatzung flieht
und Sweetlady sowie der Kapitän verlieren ihr leben.
Bei einer Demonstration seiner Idee projiziert Frullifer vor den Augen des
Reverends Mallory und seiner Zuhörer Diana herbei. Ursache ist seine
nicht erwiderte Liebe zu Cynthia, deren Name auf den Dianas zurückzuführen
ist. Auch hier kommt es zu der unheiligen Veränderung. Für den
Moment ist die Macht des Reverends geschwächt.
Im letzten Kapitel wird in einem angedeuteten Gerichtsverfahren erklärt,
dass niemand am Tod des Abtes Schuld ist. Parallel wird die Macht von Eymerich
in Aragon des 14. Jahrhunderts gestärkt.
Insgesamt hinterlässt der erste Roman ein zwiespältiges Gefühl.
Ich persönlich bezweifele nach dem Lesen dieses Buches, dass sich
dieses Epos in die Tradition von Umberto Ecos Name der Rose einordnen lässt.
Während der Eymerich-Part gut und teilweise auch spannend geschildert
wird, enttäuscht die Handlung um Frullifer etwas. Um hier locker durchzumarschieren,
wird von dem Leser ein nicht unerhebliches Maß von Interesse an wissenschaftlichen
Erklärungen abverlangt. Außerdem erkennt der Leser lange Zeit
nicht das Ziel dieser Geschichte.
Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist der Malpertuis-Abstrakt. Hier
wird dem Lesenden auch für längere Zeit das wahre Ziel vorenthalten.
Die Geschehnisse auf dem Planeten Olympus finden für meinen Geschmack
ein zu schnelles Ende. Hier wurden Chancen für eine spannende Handlung
verschenkt. Auf alle Fälle spürt man, dass Evangelisti eine Zukunft
andeutet, die nicht erstrebenswert ist.
Wieso es zu der starken Anbetung der Göttin Diana kommt, war für
mich nicht völlig zu erkennen und einige Personen hätten möglicherweise
einer stärkeren Charakterisierung bedurft.
Lobenswert ist das Ende des Buches in der alle drei Fäden recht
gut nachvollziehbar verbunden werden ohne stärkere logische Diskrepanzen
zu hinterlassen.
Meiner Meinung nach hätte der Roman auch als Science fiction Literatur
durchgehen können. Das mag sich in den folgenden Büchern ändern.
Nach dem Lesen dieses Buches erwartet man nicht zwangsläufig eine Fortsetzung,
doch davon wird es in den kommenden Monaten einige geben.
Die Gestaltung des Buches ist ansprechend, doch erscheint mir der Klappentext
kaum aussagefähig. Eine echte Neugier wird bei dem Leser nicht unbedingt
geweckt.
Trotz der Anmerkungen gebe ich dem Roman eine 7, denn lesenswert
ist er allemal und man erhält nebenbei einen interessanten Einblick
in das Leben in Aragon im 14. Jahrhundert.