Brandon Q. Morris
Die Störung
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»Die Störung« von Brandon Q. Morris
Die erste Expedition über das Sonnensystem hinaus soll herausfinden, wie das Universum entstanden ist. Sechs Astronauten nehmen daran teil, vier aktiv, zwei mehr oder weniger in Schlafkammern ruhend.
Durch einen unglücklichen und nicht vorhersehbaren Zufall wird durch eine Art Quantenteleportation ein Feld erzeugt, in dem Materie zerfällt und sich auflöst. Dieses Feld, anfangs nur auf eine von mehreren Flugkapseln beschränkt, dehnt sich jedoch kontinuierlich weiter aus und droht in absehbarer Zeit nicht nur das Raumschiff zu verschlingen, sondern sich auch bis zur Erde auszudehnen (und darüber hinaus). Dies hätte die Zerstörung der Erde zur Folge.
Die Astronauten und die Flugkontrolle auf der Erde, suchen fieberhaft nach einer Möglichkeit, der Bedrohung Herr zu werden. Als die Astronauten an Bord mit der Lösung konfrontiert werden, müssen sie sich entscheiden, was oder vielmehr wen, sie retten wollen. Sich selbst oder die Erde. Eigentlich sollte die Antwort darauf selbstverständlich sein, wenn es da nicht ein „kleines“ weiteres Problem geben würde, denn die Flugkontrolle auf der Erde hat die Astronauten an Bord nicht ganz über die wahren Umstände ihres Fluges und ihres Auftrages aufgeklärt.
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Für mich persönlich ein Debüt, denn Die Störung ist mein erstes Buch aus der Feder des recht fleißigen Autors Brandon Q. Morris, dessen richtiger Name Matthias Matting lautet. Matting ist studierter Physiker und dies merkt man seinem Roman durchaus an. Es ist recht technisch geschrieben und erinnert mich stellenweise stark an Der Marsianer von Andy Weir. In beiden Werken müssen sich die jeweiligen Protagonisten diversen technischen Problemen stellen und nach Lösungen suchen. Beide Autoren, Weir und Morris, nehmen dabei ihre Leser mit ins Boot, in dem die Protagonisten ihre Lösungen dem Leser auch erklären und sie nicht einfach aus dem Hut zaubern und präsentieren. Frei nach dem Motto „friss oder stirb“.
Das Buch selbst fängt schon mal recht mysteriös an. Es spielt auf zwei Handlungsebenen, die jedoch miteinander korrespondieren. Die Astronauten an Bord der Shepherd-1 stehen im direkten Kontakt mit ihren Leuten in der Flugkontrolle. Das Mysteriöse liegt darin, dass man an Bord der Shepherd-1 das Jahr 2094 schreibt, auf der Erde jedoch das Jahr 2079. Wie kann es also sein, dass sich zwei Handlungsebenen direkt per Funk austauschen, wenn es eine zeitliche Differenz von 15 Jahren zwischen ihnen gibt? Das klang für mich recht geheimnisvoll. Um es vorweg zu nehmen: Morris löst dieses Rätsel zwar auf, nimmt ihm dadurch aber leider auch jegliches Mysterium, denn die Auflösung ist relativ banal.
Der eigentliche Grund für die Mission der Shepherd-1 ist recht ambitioniert. Man will einen ultimativen Gottesbeweis finden. Ob man den am Ende der Geschichte jedoch wirklich gefunden hat weiß ich so gar nicht zu beurteilen. Die Kommandantin findet zwar irgendetwas weltbewegendes heraus, aber ob das ein Gottesbeweis sein soll, muss wohl jeder Leser für sich entscheiden. Auf jeden Fall ist das, was sie entdeckt hat, eine recht interessante und spannende Sache, denn wenn man dieses materieauflösende Feld nicht stoppt, wird es das Leben auf der Erde auslöschen. Dieser Aspekt des Buches ist durchaus faszinierend und für mich auch neu. Allerdings wohl nur für mich, dann im Anhang des Buches gibt es ein Kapitel über die „neue Biographie der Quantentheorie“. Hier schwadroniert Morris wissenschaftlich über alle neueren und älteren Aspekte der Quantentheorie, unter anderem auch darüber, ob das, was die Kommandantin entdeckt hat, und was nun die Erde bedroht, möglich ist oder nicht. Und, ganz im Ernst, ich fand den wissenschaftlichen Anhang ebenso spannend wie das Buch an sich.
Auch die Auflösung dieses Problems ist auf der einen Seite zwar recht unspektakulär, aber auf der anderen Seite auch irgendwie schon wieder cool. Man fragt sich als Leser ja selber „wie kommt der Autor aus der Nummer wieder raus?“. Das Feld an sich wieder zu schließen oder gar aufzulösen ist nicht möglich, hier muss man eine Lösung finden, die mit dem Problem an sich erst einmal nichts zu tun hat. Man macht sich quasi das, was man im Sonnensystem vorfindet, zu eigen. Erst wenn man beides miteinander kombiniert, Problem und Erkenntnis, findet sich eine Lösung.
Neben dem Rätsel um die Zeitdifferenz von 15 Jahren, gibt es noch einige andere Ungereimtheiten die den Leser stutzig machen. Zwei der vier Protagonisten werden, hm… irgendwie sterben, und durch andere ersetzt werden. Ein Umstand, der dem Leser natürlich sofort auffällt, allerdings nicht den jeweils überlebenden Charakteren. Für diese haben die verstorbenen Kollegen nie gelebt, bzw. sie können sich nur noch nebulös an diese erinnern. Warum das so ist, wird man jedoch noch im Laufe des Buches erfahren. Auch das ist ein Grund mit, warum die Astronauten, nachdem sie die Lösung des Problems des materieauflösenden Feldes vor sich liegen haben, sich nicht bedingungslos für die Rettung der Erde aussprechen können. Man hat ihnen einfach zu übel mitgespielt und sie über ihre wahre „Herkunft“ im Dunkeln gelassen.
Kommen wir zu den Protagonisten. Da gibt es als erstes die Gruppe der Astronauten. Die Art wie sie miteinander sprechen und umgehen hat mich eher an Jugendliche erinnert, weniger an Erwachsene. Man erfährt nicht wirklich viel über sie, nur das Nötigste. Sie sind austauschbar, was im Laufe des Buches dann ja auch wirklich passiert. Und ob sie jetzt Eric, Benjamin, Aaron oder David heißen tut nicht viel zur Sache. Lediglich die Kommandantin, Christine, bleibt etwas länger im Gedächtnis (paradoxerweise, da man sich von ihr als erstes verabschieden muss), aber das mag auch daran liegen, dass sie die einzige Frau an Bord ist. Auch die Mitglieder der Kontrollstation auf der Erde sind irgendwie nicht wirklich greifbar. Rachel Schmidt und Charles Dickinson von der geheimnisvollen Alpha-Omega Gruppe, sind schnell wieder vergessen. Auch hier wird wieder auf Geheimnisvoll gemacht, da Dickinson und Rachels Chefin mehr wissen als Rachel selber, aber damit nicht herausrücken wollen.
Eigentlich lese ich lieber Bücher, die in der Vergangenheitsform geschrieben wurden. „Er zog sich den Raumanzug an“ oder „Laut rief er seine Kollegin an“. Morris scheint wohl lieber die Präsens Form zu bevorzugen, „er zieht sich den Raumanzug an“ oder „laut ruft er seine Kollegin an“. Das ist natürlich reine Geschmackssache, ebenso wie ich die Erzählform in der dritten Person bevorzuge und keine aus der Ich-Perspektive (das ist hier aber nicht der Fall).
Das Buch ist teilweise recht wissenschaftlich, aber durchaus verständlich geschrieben. Die Geschichte ist interessant und die Suche nach der Lösung des Problems durchaus spannend. Allerdings verliert die Story im weiteren Verlauf etwas von seinem Reiz. Die Sache mit der Zeitverschiebung hatte mich schon zu allerlei Spekulationen ermuntert, irgendetwas großartiges mit einem tollen Aha-Effekt. Leider hat sich das nicht erfüllt. Die Auflösung war zwar durchaus nachvollziehbar, aber nicht so bombastisch wie ich gehofft hatte.
Fazit
Eine gute Geschichte, durchaus spannend und unterhaltsam geschrieben. Allerdings konnte sie meine Erwartungen nicht ganz erfüllen, was aber wohl eher mein persönliches Problem und Empfinden ist. Jedoch ist das kein Grund, um nicht weitere Bücher des Autors zu lesen.