Kevin J. Anderson
Trinity
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»Trinity« von Kevin J. Anderson
Los Alamos, New Mexiko (vermutlich Anfang der 90er Jahre). Elizabeth Devane und ihr Freund Jeff Maple planen einen Sabotageakt um der Kernwaffenforschung in der dortigen MCG Versuchsstätte einen Rückschlag zu versetzen. Aber etwas geht schief. Während Jeff sein Leben verliert, wird Elizabeth um Jahrzehnte in die Vergangenheit geschleudert. Sie landet am gleichen Ort, jedoch im Jahr 1943 - mitten in den Vorbereitungen der amerikanischen Regierung um die erste Atombombe zu konstruieren. Aus Selbstschutz und mangels Alternativen, gibt sich Elisabeth als Mitarbeiterin am Projekt aus. Aus erster Hand erlebt die Anti-Atomwaffen-Aktivistin, an der Seite von J. Robert Oppenheimer, Erico Fermi oder General Leslie R. Groves, nun die Entwicklung des, von ihr so verfluchten, Manhatten-Projekts mit. Durch ihr Wissen um die Zukunft gelingt es Elizabeth, einer diplomierten Physikerin, eine für das Projekt durchaus wichtige Position zu erreichen. Dadurch liegt es nun auch in ihrer Hand über das Gelingen oder Nichtgelingen des Projekts zu entscheiden.
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Wer wünscht sich nicht einmal per Zeitreise in die Vergangenheit zu gelangen um einige seiner getroffenen Entscheidungen korrigieren zu können oder, ab einen bestimmten Zeitpunkt in seinem früheren Leben, einen anderen Weg zu beschreiten? Wie oft sagt man sich im Nachhinein “Hätte ich das vorher gewußt”. So verlockend diese Möglichkeiten auch auf den ersten Blick sein mögen, so muss man sich doch vor Augen halten, welche Konsequenzen sie letztendlich auch nach sich ziehen können. Denn niemand gibt einem die Garantie, dass “der andere Weg” tatsächlich auch der besser gewesen wäre, dass, nur weil sich der beschrittene Weg als der vermeintlich schlechtere entpuppt hat, die Alternative ungleich besser gewesen wäre. Vor dem gleichen Dilemma steht auch Elizabeth Devane. Ihr Wunsch dem Atomwaffenprogramm Amerikas und der ganzen Welt Einhalt zu gebieten ist, wenn auch unfreiwillig, erfüllt worden. Auf eine Art und Weise, die sie sich nicht hätte träumen lassen. Am eigenen Leib muss sie erfahren, das auch hier die Alternative zu der Welt, in der sie aufgewachsen ist, nicht unbedingt die bessere ist.
Mit viel Fingerspitzengefühl hat das Autorenduo Kevin J. Anderson und Doug Beason mit dem bereits im Jahr 1991 erschienen Roman The Trinity Paradox einen sehr schönen und kurzweiligen Thriller / SF-Roman vorgelegt. Der Spagat zwischen Unterhaltungsliteratur und Geschichtsbuch ist gelungen und das, ohne die moralische Keule ausgepackt zu haben. Der Bau der Atombombe und deren zweimaliger Einsatz über Japan, haben in all den Jahren danach viele Kritiker, aber auch Befürworter, auf den Plan gerufen. Die am Bau der Bombe beteiligten Wissenschaftler sind verflucht, gelobt, geehrt und beleidigt worden. Für Beason und Anderson wäre es darum ein leichtes gewesen in diesen Chor einzustimmen und klar Partei zu ergreifen, entweder dafür oder dagegen. Aber sie verzichten darauf, ... anfangs. Recht emotionslos werden die Pros und Kontras für den Bau aufgezeigt. Zumindestens bis zu dem Zeitpunkt, da die erzählte Geschichte noch der unseren, tatsächlich passierten, entsprach. Denn eines ist klar, die Ankunft einer Person aus der Zukunft, die eine klare Position gegen den Bau der Bombe bezieht, kann nicht ohne Folgen bleiben. Und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in Elizabeth der Wunsch entsteht, den Bau zu sabotieren.
Spätestens ab hier wäre es sehr hilfreich sich mit dem Manhatten Projekt und den daran beteiligen Wissenschaftlern etwas näher auszukennen um das ganze, sich daraus entwickelnde, Geschehen besser verfolgen und genießen zu können. Die Veränderungen die Elizabeth vornimmt, sind nämlich recht subtiler und teilweise auch ungewollter Natur. Sie geht nicht hin und wirft Handgranaten und zündet irgendwelche Sprengsätze, nein, das wäre für die vorliegende Geschichte ein absolutes no-go. Ihre Eingriffe sind diffizilerer Natur, sie macht Bemerkungen gegenüber ihrem Wissenschaftlerkollegen Graham Fox und bringt dadurch ungewollt die Ereignisse erst so richtig in Gang - und verändert dadurch die komplette Zukunft so wie sie (und wir) sie kennt (kennen). Der Physiker Werner Heisenberg, neben Otto Hahn oder Fritz Straßmann quasi der deutsche Gegenpart zu Oppenheimer, landet eben nicht vor einem deutschen Erschießungskommando, und Edward Teller, der ungarische Physiker auf amerikanischer Seite, stirbt auch nicht bei einem misslungenen Versuch und wird somit auch nicht der “Vater der Wasserstoffbombe”. All diese Veränderungen, ausgelöst durch ein paar unbedachtsame Bemerkungen Elizabeths, machen den Reiz der ganzen Geschichte erst aus. Und diesen kann man erst dann so richtig genießen, wenn man die Vergleichsmöglichkeit hat zwischen dem was gewesen ist und dem, was das Buch daraus macht.
Beason und Anderson zeigen aber nicht nur die amerikanischen Versuche den Bau der Bombe zu beschleunigen, sondern auch den der Deutschen. Auch hier hat sich, hervorgerufen durch die Anwesenheit Elizabeths in der Vergangenheit, nicht alles so entwickelt wie wir es aus den Geschichtsbüchern her kennen. Deutschland ist in Trinity dem Bau der Bombe wesentlich näher als es tatsächlich der Fall gewesen ist. Mehr noch, Deutschland führt bereits eine Art “radioaktiven Angriff” auf die USA durch. Allein schon dadurch wird aus dem Paulus Elizabeth der Saulus Elizabeth. Spätestens hier ändert sich ihre ganze Weltanschauung und auch für Beason und Anderson ist jetzt der Augenblick gekommen, Partei für den Bau der Bombe zu ergreifen. Jetzt wird dem Leser vor Augen gehalten was passiert wenn Amerika den Krieg nicht gewinnt und Deutschland in den Besitz der Bombe gelangt. Jetzt findet die Rechtfertigung statt und vielleicht (ich weiß, das ist vielleicht weit hergeholt) auch die Rechtfertigung der Autoren für ihre eigene Vergangenheit - denn beide, Beason und Anderson waren und sind langjährige Mitarbeiter im Los Alamos National Laboratory, einem Forschungslabor für Nuklearwaffen. Allerdings findet diese Rechtfertigung, wie schon gesagt, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger statt. Es ist mehr eine Abwägung der Frage “was ist das kleinere Übel” und alleine der fiktiven Situation geschuldet. Erst als Elizabeth in dem damaligen Geschehen selber und leibhaftig steckt und nicht mehr die Möglichkeit hat aus der Ferne und rückwirkend die Ereignisse zu betrachten (wie es uns vergönnt ist) begreift sie, in welch verfahrener Situation sich die Verantwortlichen damals befunden haben, welche Abwägungen sie treffen mußten und das die Entscheidung für die Bombe nicht leichtsinnig getroffen wurde. Das verändert nicht nur sie und ihr Weltbild, sondern, durch die Konsequenzen die sie daraus zieht, auch die Zukunft der Menschheit. Nichts desto trotz bleibt es jedoch einem anderen Charakter des Buches überlassen für den Knalleffekt zu sorgen. So übernimmt er die Rolle, die eigentlich Elizabeth hätte vorbehalten sein sollen.
Was bleibt ist ein spannendes und lesenswertes Buch, flüssig geschrieben und, glücklicherweise, relativ untechnisch. Eingestreut werden als Rückblick immer wieder Passagen aus Elizabeths früherem Leben. Der Leser erfährt wie ihre Abneigung gegen die Atomindustrie zustand kam und kann ihre Einstellung begreifen und nachvollziehen. Durch die vielen Zitate der damaligen Wissenschaftler, Politiker und Militärs (deutscher und amerikanischer), die vor jedem Kapitel angeführt werden, entsteht ein plastisches und authentisches Bild der damaligen Zeit. Das Buch fungiert wie ein Maler, der die Stimmung des Augenblicks in einem Bild festhält, als eine Momentaufnahme der Vergangenheit. Als Anhang finden sich zwei Interviews die Christian Endres mit den beiden Autoren geführt hat.