Marie Lu Legend 2
Schwelender Sturm
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»Schwelender Sturm« (Legend 2) von Marie Lu
Die Flucht vor den Soldaten der Republik führt Day und June nach Vegas. Eine Hauptzentrale des Militärs, aber auch der Patrioten. Mit letzter Kraft schleppt sich Day in die Stadt und bricht dort zusammen. Die Patrioten retten beide, aber nur unter der Bedingung, dass sie sich ihnen bedingungslos anschließen und einen Eid schwören. Ohne Zögern willigen sie ein. Der Plan sieht vor, dass June zurück zu den Soldaten geht, das Vertrauen des Elektors gewinnt und Day ihn ermordet. Dieses Vorgehen gefällt allen, scheint doch endlich auf diesem Weg die Schreckensherrschaft der Republik gebrochen zu werden, doch tief in June erwacht ein zartes Gefühl des Zweifels. Und ihre Gefühle haben sie noch nie getrogen...
Marie Lu hat es mal wieder geschafft, mich mit ihrem Schreibstil zu verblüffen. Auf der eine Seite schildert sie das Geschehen locker und leicht, flüssig und gut strukturiert und auf der anderen Seite ist der Kampf gegen die Republik bedrückend und auch beängstigend. Seuchen, Mord, Folter, Armut und Hunger stehen an erster Stelle. Wer nicht bedingungslos der Republik treu ergeben ist, ist des Todes. Wer in so einer Welt aufwächst, ist von frühesten Kindesbeinen an geprägt. Die Kunst ist, sich nicht von der allgegenwärtigen Angst beherrschen zu lassen, sondern eine eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln. Immer am Rande des Abgrunds, stellt sich nicht die Frage nach Richtig und Falsch, sondern einzig nach dem Überleben.
In dieser starr strukturierten und bis ins Kleinste kontrollierten Gesellschaft wächst die junge June Iparis als Wunderkind der Republik heran. June ist gesegnet mit einer überragenden Intelligenz, die es ihr ermöglicht, hinter die Fassade der Herrschaft zu blicken. Sie wägt das Für und Wider ab und entscheidet sich schließlich für die Seite der Patrioten; nichts geht über die Freiheit! June gerät zwischen die Fronten und wird mitgerissen von einem Strudel aus Gewalt, aber auch von tiefgreifenden Gefühlen.
Marie Lu setzt viel auf Gefühle und kreiert auch so die Umgebung: Hohe, bedrohlich wirkenden Wolkenkratzer, eine einengende Menschenmenge, beklemmende Tunnel die nicht nur in den Untergrund, sondern auch in die Dunkelheit führen, Smog. Aber auch die schönen Dinge wie ein Sonnenaufgang, der alles in mildes Licht taucht, weite, offene Landschaft. Dieses Wechselspiel zwischen Gefühlen und Landschaft brachte die Autorin gekonnt ihren Leser nahe und faszinierte mich. Alles ist harmonisch aufeinander abgestimmt.
Leider muss ich gestehen, dass die ständigen Wechsel der Erzählperspektiven zwischen June und Day mir nicht ganz so gut gefielen. Zu oft musste ich zurückblättern und überlegen, aus wessen Sicht gerade berichtet wird. Hier hätte ich mir eine wesentlich deutlichere Ausarbeitung der Protagonisten gewünscht. Natürlich sind beide auf ihre Art stark und sensibel zu gleich, aber wenn Marie Lu je einen Schwerpunkt gesetzt hätte, wäre es für mich als Leser bestimmt einfacher gewesen der Handlung zu folgen. Zum Glück stört dies den Erzählfluss nicht gravierend.
Am besten haben mir die Protagonisten gefallen. Das Buch lebt einzig und alleine durch June Iparis und Daniel Altan Wing. Beide sind so überragend helle und strahlende Persönlichkeiten, dass die eigentliche Handlung fast etwas in den Hintergrund tritt. Ich fand es sehr spannend zu beobachte, wie beide von ihrem vorhergesehenen Lebensweg abweichen und umdenken. Ohne Zwang, ohne Muss, einfach, weil ihre Gefühl ihnen dies eingeben. Der eine ganz Patriot, die andere ganze Republik. Eigentlich zwei Lebenswege, die sich nie hätten treffen, geschweige denn vermischen können, oder besser sollen. Doch den beiden Jugendlichen gelingt es, von beiden Seiten sich das Beste herauszusuchen und sich zu eigen zu machen. Etwas Neues, etwas sehr Starkes entsteht und lebt in beiden. Der Samen der Zukunft ist gesät.
Neben diesen äußerst starken Personen, verblassen die anderen Charaktere leider ein wenig. Sie kreisen um die beiden, ohne ein wirklich eigenständiges Leben zu besitzen, was ich schade fand, da in einigen großes Potential zu einer eigenen Geschichte gewesen wäre.
Mein Fazit
Stärker, schneller, packender als Teil eins und absolut lesenswert!