Pesch, Helmut W.
Die Kinder der Nibelungen
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»Die Kinder der Nibelungen« von Pesch, Helmut W.
Es ist eine beklagenswerte Tatsache, dass dem deutschsprachigen Leser der englische Mythenkreis um Artus, Merlin und Excalibur oder die irische Sidhe-Saga ungleich vertrauter ist, als die Germanischen Sagen um die Asen. Seitdem das tausendjährige Reich die diesbzgl. Mythen für ihre Propagandazwecke missbraucht hat, sind die Erzählungen um den Ring der Nibelungen, um Brunhild, Hagen und Siegfried kaum mehr präsent. Lediglich Wagners Opern-Vertonung bringt einem breiteren Publikum den faszinierenden Mythos noch näher.
Seit ein paar Jahren ist aber erfreulicherweise eine Zuwendung gerade auch deutschsprachiger Autoren zu bemerken. Im Econ Verlag erschien eine Fantasy-Aufarbeitung der Geschehnisse in 8 Bänden, die jedoch leider nicht den gewünschten Erfolg hatte.
Auch der Ueberreuter Verlag veröffentlichte 1998 im Jugendbuch Pesch´s "Kinder der Nibelungen". Nun folgt bei Bastei eine vom Autor durchgesehene Neuauflage. Pesch ist uns, neben seiner Tätigkeit als Lektor für die Belletristik Titel des Lübbe Hardcover-Verlages durch seine beiden tolkienesquen Fantasy Romane DIE HERREN DER ZEIT und DIE RINGE DER MACHT ein Begriff.
Der Autor erzählt uns nicht etwa einen lauen Aufguss der bekannten Saga, sondern präsentiert uns eine Fortschreibung der Ereignisse. Drei Jugendliche. Brundhild, Siggi und Hagen mit Namen finden in einem uralten Brunnen im Wald einen Ring. Auf dem Heimweg überrascht sie ein Gewitter. Sie flüchten durch den Wald, fühlen sich von zwergenhaften Schatten verfolgt, und begegnen einem einäugigen alten Mann, der sie vor dem Unwetter in eine Höhle führt.
Wir ahnen es, unsere Drei werden von Gottvater Odin persönlich in die Anderswelt entführt. Dort fristen die Überlebenden Asen und Wanen ihr Dasein. Im ständigen Krieg mit den Heerscharen Alberichs führen sie ein Leben geprägt von Kampf und Hass. In diese Situation bringt Odin unsere drei Kinder, und hofft mit diesen die altbekannte Geschichte zu seinen Gunsten korrigieren zu können.
Bald schon entzweien sich die Freunde. Während Hagen sich Alberich anschliesst, und von diesem an Sohnesstatt angenommen wird, folgen die Geschwister Siegfried und Brunhild der Göttin Freia und den Asen. Odins Plan, die machtlosen Asen wieder erstarken zu lassen setzt voraus, dass Siegfried den gebrochenen Runenspeer wieder zusammenfügt. Eine Schlacht nimmt ihren Anfang, in deren Mitte die Intrige des alten Germanengottes steht. Mit Hilfe des Ringes der Nibelungen, der Unterstützung Freia´s und nichtzuletzt der eigenverantwortlichen Entscheidung aber gelingt es unseren drei Menschen Ragnarök zu überleben und den finsteren Plänen zu entgehen.
Helmut W. Pesch hat diesen Roman für ein jugendliches Publikum verfasst. Dies ist keinerlei Kritik, sondern eine Anmerkung, die uns verständlich macht, dass er im Gegensatz zu seinen anderen beiden Romanen eine einfachere Sprache verwendet. Zu Beginn der Lektüre hatte ich befürchtet eine simple Nacherzählung des Ring-Mythoses vorgesetzt zu bekommen. Diese Klippe aber hat der Autor gekonnt umschifft. Statt einen lauen Aufguss bietet uns Pesch eine Art Fortsetzung an. Dabei zeigt er uns einen gealterten, machtlosen und entsprechend frustrierten Göttervater, der uns zunächst leid tut. Im Zuge des Romans aber kommt sein hinterhältiger Plan mehr und mehr ans Tageslicht, und unser anfängliches Mitleid und Sympathie wandeln sich zu Verachtung.
Die drei eigentlichen Helden des Buches vollziehen in dem Werk einen schier unglaublichen Entwicklungssprung. Von relativ behütet aufgewachsenen modernen Jugendlichen tauchen sie ein, in einer Welt der Mythen und der rohen, blutigen Gewalt. Sie sind schockiert und gleichzeitig fasziniert von dieser ihnen unbekannten Lebensart. Trotz aller Fremdheit aber kommen sie erstaunlich gut in der so fremden Welt zurecht. Nun mag man ihnen zugute halten, dass ihre Namensvettern aus der Sage in ihnen fortleben, so gänzlich Überzeugen aber konnte mich diese Verhaltensweise nicht. Zu unproblematisch gliedern sie sich ein, zu schnell akzeptieren sie die phantastischen Geschehnisse um sich herum, ohne diese zu hinterfragen. Dieses Manko mag mit der eingangs erwähnten Zielgruppe zusammenhängen.
Fazit bleibt, dass der Leser in einen kurzweiligen Plot einiges über die altgermanischen Göttersagen erfährt, obwohl dieser Roman den Vergleich mit den beiden anderen Werken Pesch´s im Bastei-Lübbe Taschenbuch nicht ganz standhält.